„Die Privatwirtschaft muss zu mehr Barrierefreiheit angehalten werden!“


Aktivistin Laura Mench

Aktivistin Laura Mench. Foto: Finja Sander

Ein Gespräch mit Laura Mench, 26, die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderungen engagiert. Sie lebt mit einer fortschreitenden Muskelerkrankung.

 

Frau Mench, was kann jede*r Einzelne und was können Ladengeschäfte, Cafés oder Restaurants tun, um den Alltag von Menschen mit Behinderungen zu erleichtern?

Derzeit gibt es diesbezüglich leider keine Vorschriften für die Privatwirtschaft. Man kann so viel tun, zum Beispiel für blinde oder gehörlose Menschen durch Gebärdensprache und Leitsysteme. Man kann in leichter oder einfacher Sprache kommunizieren und es ist auch immer eine gute Sache, Rampen bereit zu halten. Generell sollten Verantwortliche Augen wie Ohren offenhalten und gegebenenfalls supporten. Bitte aber immer in Absprache und nicht unaufgefordert!

Welche Forderungen haben Sie an die Politik?

Die Privatwirtschaft muss zu mehr Barrierefreiheit angehalten werden. Und – ein ganz anderes Thema, aber nicht weniger wichtig: Es bedarf einer Gesetzesänderung zur Lohnerhöhung für die Assistenzkräfte von Menschen mit Behinderungen. Dieser Beruf muss attraktiver werden!

Sie engagieren sich unter anderem auf Social Media für die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Wie sind dort die Reaktionen, wenn man das Thema anspricht?

Ich bin auf Social Media ja nicht die einzige, die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderungen einsetzt. Manchmal würde ich mir innerhalb der Aktivisten-Community weniger Grabenkämpfe und mehr Zusammenhalt sowie gegenseitigen Support wünschen.

Was hat sich in den vergangenen Jahren in Deutschland bezüglich Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen getan?  

Es überwiegt das Negative. Als Beispiel nenne ich die Außerklinische Intensivpflege. Die neuen Gesetze dafür klingen auf den ersten Blick gut, aber in der Praxis sind die bürokratischen Hürden hoch. Der Rechtsanspruch auf Außerklinische Intensivpflege ist gut, aber de facto, wenn überhaupt, dann nur für Einrichtungen und Dienstleister mit viel Geld als Finanzierungsgrundlage umsetzbar. Diejenigen, um die es geht, wurden im Gesetzgebungsprozess zu wenig eingebunden. Generell redet man zu wenig mit Menschen mit Behinderung.

Auf der positiven Seite kommen wir noch mal zur Privatwirtschaft zurück. Da können wir festhalten, dass die Stimmen immer lauter werden, die fordern, die Privatwirtschaft mehr in die Pflicht zu nehmen, zum Beispiel beim Thema Barrierefreiheit.

Wie zufrieden sind Sie mit der Abbildung von Menschen mit Behinderungen in den Medien?

Das war vor ein paar Jahren noch schlechter. Da gab es noch vermehrt Geschichten, in denen beispielsweise jemand im Rollstuhl vorrangig als „leidend“ dargestellt wurde. Auch den Begriff „an den Rollstuhl gefesselt“ lehne ich ab. Da sollten Medienmacher*innen sensibel sein.

Welche Gruppe innerhalb von Menschen mit Behinderungen wird noch weniger gehört oder beachtet und warum?

Das potenziert sich: Jemand mit doppelter oder dreifacher Behinderung wird oft auch doppelt oder dreifach diskriminiert. Nicht zu vergessen sind jene, die mehrere diskriminierungsrelevante Merkmale haben, zum Beispiel queere Menschen mit Behinderung.

Was sind für Sie persönlich Ihre größten Probleme im Alltag?

Das ist die Lieferung von Medikamenten, die nicht reibungslos funktioniert. Gleiches gilt bei Ersatzteilen für meinen Rollstuhl. Außerdem muss ich mich dafür einsetzen, damit man mir minimale Zusatzausstattung zahlt. Das gilt zum Beispiel für ein Regenverdeck für den Rollstuhl, damit der Motor nicht nass wird und dann kaputtgeht. Ob ich das am Ende wirklich genehmigt bekomme, ist das Geheimnis der Zukunft.

Was ist Ihnen zum Tag der Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen noch wichtig?

Die Deutsche Bahn, wohlgemerkt ein Unternehmen der Privatwirtschaft, hat beim Thema Zugänglichkeit und Nutzbarkeit sicher noch Nachholbedarf. Viele Bahnhöfe sind marode und damit für Menschen mit Behinderungen kaum oder gar nicht nutzbar. Das Problem ist aus meiner Sicht, dass dies für die Bahn wirtschaftlich nicht wichtig ist. Darüber hinaus wäre ich dankbar, wenn in der DB-App als Grund für eine Verspätung nicht steht „Hilfe beim Ein- und Aussteigen“. Nach dem Motto: „Der Mensch mit Behinderung hält uns auf!“

Vielen Dank!

Die Fragen stellte Matthias Schwerdtfeger, Internationaler Bund, Unternehmenskommunikation

 

 


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