Arian Begovic leitet die Kältehilfe des IB in Berlin-Schöneberg. Im Interview erzählt er vom Winter auf der Straße, von Konflikten zwischen Bewohnenden - und was man tun soll, wenn man in kalten Nächten Obdachlose auf der Straße sieht.
Wie viele Menschen betreuen Sie aktuell pro Woche in der Kältehilfe?
Unsere Einrichtung hat eine Kapazität von 30 Personen, welche auch täglich maximal ausgelastet wird. Unter Umständen lassen wir auch regelmäßig 3-4 Menschen im Essenssaal übernachten, wenn andere Einrichtungen keinen Platz mehr zur Verfügung haben. Natürlich stellen wir mobile Klappmatratzen und Bettwäsche bereit. Außerdem lassen wir zwischen den Essenszeiten auch weitere fünf Personen in unsere Einrichtung, damit sie essen und trinken können - also kann man grob sagen, dass wir etwa 40 Menschen betreuen, mal mehr mal weniger. Wir sind auf jeden Fall eine gut besuchte Kältehilfe.
Was tun Sie für diese Menschen?
Neben der Essens- und Trinkversorgung bieten wir selbstverständlich auch Schlafplätze, Sanitäranlagen, hygienische Artikel jeder Art und Beratung an - sowie Hilfe für diverse Anliegen. Unsere zwei Waschmaschinen können zwischen 18-22 Uhr genutzt werden. Dazu unterstützen uns unter anderem die Frostschutzengel, die alle zwei Wochen bei uns vorbeischauen. Das multilinguale Personal berät die Leute bei Bedarf zu mehreren Themen. Ansonsten kriegen wir das auch ganz gut unabhängig hin, da unser Team ebenfalls sehr international ist und mehrere Sprachen vorweisen kann.
Gelegentlich kommen auch ehrenamtliche Ärztinnen in unsere Kältehilfe, um zum Beispiel Wunden zu reinigen, Verbände zu wechseln und mehr. Wir versuchen, die Bedürfnisse und Anliegen der Bewohnenden zu erkennen und ihnen im Rahmen der sehr niedrigschwellenden Hilfe gerecht zu werden.
Wie ist die Entwicklung der vergangenen Jahre? Sind mehr Menschen zu betreuen? Wenn ja: Woran liegt das, abgesehen vom Wetter?
Als wir die Einrichtung im Oktober 2021 übernahmen, war die Situation noch relativ schwierig einzuschätzen. Der Standort ist vor allem für Prostitution, Drogenhandel und -konsum bekannt. Dementsprechend waren die Probleme auch neu für viele von uns. Erfahrungsgemäß würde ich sagen, dass es recht chaotisch war und die Polizei mehrmals die Woche - wenn nicht täglich - bei uns in der Kältehilfe war. Mittlerweile hat sich das etwas gelegt und es ist ruhiger geworden, da wir die Leute besser kennen und man mit der Problematik der Menschen vertrauter ist.
Es gibt auch Bewohnende, die seit Anbeginn der Kältehilfe in der Kurmärkischen Straße regelmäßig da sind - dadurch ist das soziale Miteinander positiver zu bewerten. Nichtsdestotrotz kommt es aufgrund verschiedener Nationalitäten, Ethnien, religiöser Zugehörigkeiten und psychischer Erkrankungen vereinzelt zu Konflikten zwischen den Bewohnenden. Die Anzahl der Menschen, die zu betreuen sind, hat sich nicht wirklich viel verändert.
Was könnten Politik und Gesellschaft tun, um zu vermeiden, dass so viele Menschen gerade im Winter auf der Straße leben?
Das ist natürlich eine Frage, die sich schwer beantworten lässt, da es mehrere Möglichkeiten gäbe, um solche Umstände zu vermeiden. Man könnte sich für den Bau neuer Schutzeinrichtungen bemühen. Auch das Konzept von „Tiny Houses“ für den temporären Einsatz gefällt mir, da man dort als wohnungslose Person auch etwas Privatsphäre geniessen kann. Letztendlich ist das die Aufgabe der Wohnungslosenpolitik, präventiv gegen solche Zustände vorzugehen, denn kaum einer wünscht sich, Winternächte auf der Straße zu verbringen. 24 Stunden-Einrichtungen wären auch etwas, wofür man sich einsetzen muss, denn das ständige Hin und Her stellt auch einen zusätzlichen Stressfaktor für unsere Bewohnenden dar.
2021 erarbeitete die ehemalige Sozialsenatorin Elke Breitenbach den „Berliner Masterplan zur Überwindung der Wohnungslosigkeit bis 2030“, also kann man nicht unbedingt behaupten, dass die Politik in der Hauptstadt nicht aktiv gegen das Problem vorgeht. Laut der Tageszeitung taz hatten im August 2023 etwa 50.000 Menschen in der Stadt keine Wohnung - eine unangenehme Zahl! [Quelle]
Was sollte man tun, wenn man in einer kalten Winternacht eine obdachlose Person im Freien liegen sieht?
Man sollte auf jeden Fall versuchen, aktiv zu handeln und je nach Zustand der betroffenen Person unbedingt den Rettungsdienst oder den Kältebus kontaktieren. Was man nicht vergessen darf, ist, die Person stets mit Respekt zu behandeln und die Würde des Menschen zu wahren.
Über welche Unterstützung freuen Sie sich noch?
Hygieneartikel-, Lebensmittel- und Kleiderspenden kommen immer gut an.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Adresse der IB-Kältehilfe in Berlin-Schöneberg:
Kurmärkische Straße 1-3
10119 Berlin
Ansprechperson:
Arian Begovic
Telefon: 0152 24132628
E-Mail: kaeltehilfe-berlin@ib.de
Die Adresse der IB-Kältehilfe für Frauen in Berlin-Reinickendorf:
Wilhelmsruher Damm 148
13439 Berlin
Ansprechpersonen:
Beate Glaub / Michael Pintz
Telefon: 0151 16836167 / 030 2005916-11
E-Mail: kaeltehilfe-berlin@ib.de
Die Fragen stellte Matthias Schwerdtfeger