Steigende Wohnungslosigkeit verhindern


In Berlin gelten zirka 37.000 Menschen als wohnungslos; etwa 6.000 bis 8.000 Personen sind ohne Obdach und leben auf der Straße. Bei diesen Zahlen handelt es sich jedoch nur um Schätzungen. (Foto: Jemima Radke/unsplash)

Berlin - In ihrer 3. Strategiekonferenz stellte die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales am 28. Oktober die neuen "Leitlinien der Wohnungsnotfallhilfe und der Wohnungslosenpolitik" vor. Der Internationale Bund (IB) begrüßt die Weiterentwicklung und fordert stärkere Prävention von Wohnraumverlust und verbindliche Zusammenarbeit der Fachstellen und beteiligten Akteure.

Die Leitlinien wurden im Auftrag der Senatsverwaltung in den vergangenen knapp zwei Jahren unter Mitwirkung der zwölf Bezirke sowie unterschiedlicher Akteurinnen und Akteure der Wohnungslosenhilfe erstellt. Auch der Internationale Bund (IB) als Freier Träger war daran beteiligt, bessere Rahmenbedinungen in der Berliner Wohnungslosenpolitik zu schaffen. "Wir begrüßen die neuen Leitlinien, die längst überfällig waren, ausdrücklich.", sagt Niels Spellbrink, Geschäftsführer beim IB Berlin-Brandenburg. "Sie sind ein wichtiger und richtiger Schritt zur Verbesserung der sich verschärfenden Situation für wohnungslose bzw. von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen in Berlin."

Wohnraumverlust frühzeitig verhindern

Ein Schwerpunkt der Leitlinien liegt im Bereich der Prävention: Der Verlust der eigenen Wohnung muss bereits in einem frühen Stadium verhindert werden, um der zunehmenden Wohnungslosigkeit entgegenzuwirken. Häufig können frühzeitige Beratungen und Hilfsangebote das Schlimmste abwenden. Zu solchen präventiven Maßnahmen gehören beispielsweise die Unterstützung bei Kündigungen des Mietvertrags, bei Mietschulden und Räumungsklagen sowie bei Gesprächen mit Vermietern und Ämtern.
Wesentlich ist hierbei, den Zugang zum Hilfesystem für Betroffene zu erleichtern und die Arbeit der Freien Träger zu unterstützen. "Dies kann nur gelingen, wenn alle beteiligten Akteure wie Bezirksämter, Jobcenter, Wohnungswirtschaft und soziale Träger enger zusammenarbeiten.", so Niels Spellbrink.

Zentrale Fachstellen etablieren und Akteure besser vernetzen

In den Leitlinien findet sich diese Forderung im Fachstellenkonzept wieder. Leitgedanke ist dabei, alle Teilkompetenzen aus dem ordnungs-, sozial- und wohnungsmarktrechtlichen Bereich zu bündeln. Den durchaus positiven Ansatz des Fachstellenkonzepts sieht Claudia Nickel, Bereichsleiterin für Wohnungslosenhilfe beim IB Berlin-Brandenburg und Mitglied im Arbeitskreis Wohnungsnot, allerdings auch kritisch: "Zwar haben sich alle auf eine bessere Vernetzung und Zusammenarbeit geeinigt, jedoch wurden keine bindenden Regelungen mit den zwölf eigenständigen Bezirksämtern getroffen." Das zeigt sich auch daran, dass die Vernetzung und Kooperation mit den Freien Trägern in den Leitlinien nicht näher definiert wurde. "Hierin liegt die große Gefahr, dass die Umsetzung der Leitlinien an diesem Punkt erschwert und die Arbeit der Freien Träger ungewollt behindert wird.", erklärt Claudia Nickel. Der IB Berlin-Brandenburg fordert deshalb, Fachstellen im Sinne des Deutschen Vereins zu etablieren. In anderen deutschen Städten wird dies bereits erfolgreich umgesetzt. Voraussetzung dafür sind identische Strukturen der Fachstellen in den Bezirksämtern sowie eine enge Kooperation mit den Freien Trägern.

Geschütztes Marktsegment ausbauen und mehr sozialen Wohnraum schaffen

Angesichts des wachsenden Bedarfs und der geringen Fluktuation am Wohnungsmarkt reicht der jährlich von den landeseigenen Wohnungsunternehmen bereitgestellte Wohnraum im sogenannten "geschützten Marksegment" längst nicht mehr aus. Hinzu kommt: Für die Freien Träger gestaltet sich der Erhalt von Trägerwohnungen und der Zugang zu neuem Wohnraum aufgrund der angespannten Wohnungsmarktlage in Berlin zunehmend schwieriger. Deshalb muss nach Ansicht des IB Berlin-Brandenburg das geschützte Marktsegment ausgebaut und mehr sozialer Wohnraum geschaffen werden: „Wir brauchen in Berlin dringend mehr Wohnungen, die bezahlbar sind“, sagt Geschäftsführer Niels Spellbrink. Andernfalls könnten die Angebote und Hilfen der sozialen Einrichtungen nur bedingt greifen und den Menschen blieben nur Notunterkünfte und Wohnheime als letzte Möglichkeit, um nicht auf der Straße zu landen. „Hier muss die Politik weiter aktiv am Ball bleiben, um praktikable Lösungen für die zunehmende Wohnungsnot zu finden“, erklärt Niels Spellbrink.

Wohnungs- und Obdachlosenstatistik erforderlich

Um eine gesamtstädtische Strategie in der Wohnungslosenpolitik bedarfsgerecht umzusetzen und das Hilfesystem auszubauen, ist es wichtig zu wissen, wie viele Menschen in Berlin tatsächlich wohnungslos und obdachlos sind. Bisher existieren dazu keine validen Daten, sondern nur Schätzungen. Derzeit geht die Senatsverwaltung von zirka 37.000 wohnungslosen und 6.000 bis 8.000 obdachlosen Menschen aus. Die tatsächlichen Zahlen dürften deutlich höher liegen. Deshalb begrüßt der IB Berlin-Brandenburg die in den Leitlinien verankerten Positionen zur Wohnungsnotfallstatistik und unterstützt die statistische Erhebung akut wohnungsloser Menschen, von Wohnungslosigkeit bedrohter Menschen und Menschen, die auf der Straße leben.
 


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